13.11.2023

Terror zieht alle in den Abgrund

Ökumenisches Gedenken an den 9. November 1938 in St. Petri

Am 9. November jährte sich die Reichspogromnacht zum 85. Mal. Daran gedachten die christlichen Kirchen in der evangelischen Stadtkirche St. Petri. Die Veranstaltung stand unter den Worten „Sie verbrannten alle Gotteshäuser im Land“ des Psalms 74.

„Nein, es fing nicht an mit dem Klirren von Fenstern – damals am 9. November 1938 – Das mutwillige und gewaltsame Zerstören von Synagogen und Gegenständen aus Synagogen war nicht der Anfang, aber es war für jede und jeden sichtbar und hörbar“, betonte Pfarrerin Christel Schürmann zu Beginn des Abends in der Stadtkirche, „denn das Klirren von Glas oder Kristall, die verstreuten Scherben, die lodernden Flammen. All das war unüberhörbar und ist mehr als symbolisch geworden“.

Dazu hatten die Schüler*innen des Kurses Q2 des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums mit ihrer Religionslehrerin Miriam Golek Berichte von Zeitzeugen ausgewählt. Material aus dem Archiv der Dortmunder Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit stellte dazu deren Geschäftsführerin Ruth Nientiedt zusammen. Die Worte von Zeitzeug*innen und einen literarischen Text mit dem Titel „Die Nacht des Niedergangs“ verlasen sie in der Petrikirche. 

Antisemitismus beginnt mit Worten, mit Gedanken. „So auch der Antisemitismus von Christ*innen, schon im Neuen Testament“, mahnte Christel Schürmann. „Zunächst in Gedanken, in Auslegung von Texten, dann in Worten, in symbolischen Handlungen und dann in Taten“.

Gedenken an den 9. November bedeute aber auch Gegenwart, so die Pfarrerin. Gedenken am 9. November 2023 sei für diejenigen, die es vorbereitet haben und für alle an diesem Abend in der Kirche besonders bitter, vermutete Schürmann. Einen Monat zuvor griff die terroristische Hamas Zivilisten in Israel an. Damit terrorisierten sie die ohnehin komplizierten Beziehungen zwischen Israel und Palästina. „Terror trifft nie nur die sogenannten ,Anderen‘, Terror zieht auch die eigenen Angehörigen mit in den Abgrund. Terror zieht alle in den Abgrund!“

Auch in Dortmund seien jüdische Menschen in Sorge und fragten sich, ob sie ihre Kinder in den Kindergarten bringen können. „Deshalb verfolgen wir mit großer Sorge die Welle antisemitischer Ausschreitungen in Deutschland und nicht zuletzt in unserer Stadt – ausgelöst durch die Gewalt in Israel und im Gazastreifen, erklärte Christel Schürmann. „Jüdische Bürger*innen werden beschimpft, bedroht und angegriffen. Ihnen wird dadurch die Freiheit genommen, ihren Glauben ohne Angst zu leben. Alltägliches Leben wird eingeschränkt.“

Das Klagegebet hielt Pfarrerin Annette Back, Stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund; den Gottesdienst gestaltete Archimandrit Filotheos Maroudas als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen mit; musikalisch begleitete Emanuel Matz am Cello.

Die Nacht des Niedergangs

Türen und Fenster sind zerschlagen
Glas zersplittert, Scherben verstreut
im Inneren extrem verwüstet
auch manch´ Heiliges geklaut

Bedeutende Schriften zerfetzt
ohne gewissen, alles zerrissen
doch all dies
war ihnen nicht genug

Das Leben der Synagoge
in dieser Nacht genommen
den Brand entfacht
durch Flammen zerstört
Mit Glück nur verhaftet
andere Opfer gar transportiert
Hauptsache, von dort vertrieben
so taten sie es nach Berlin

Viktoria und Paul

Ausstellung „Aus der Asche auferstanden“

In einer Bilderserie lässt die Dortmunder Künstlerin Olga Krakovyak von den Nationalsozialisten zerstörte Synagogen auferstehen. Für die Ausstellung „Aus der Asche auferstanden“ wurden Zeichnungen auf Papier anschließend mit Feuer behandelt. Die Werke zeigen die Vielfalt der jüdischen Gemeinden vor der Schoah und den Schrecken ihrer Vernichtung und bewahren die Synagogen vor dem Vergessen.

  • Bis zum 26. November zu sehen in der Dortmunder Stadtkirche St. Petri.

Finissage zur Ausstellung „Aus der Asche auferstanden“

Finissage mit der Künstlerin Olga Krakovyak, dem Pianisten Vinzenz Laarmann und Tirzah Haase, die Zeitzeugenberichte aus Dortmund liest.

  • Mittwoch, 22. November 2023,
    18 Uhr 
    Sankt Petri-Kirche, Petrikirchhof 7 am Westenhellweg.
Foto: Stephan Schütze
Zum Abschluss des Gedenkens brachten die Menschen in St. Petri die Menora auf dem Boden der Kirche mit Kerzen nach und nach zum Leuchten.
Foto: Stephan Schütze