21.06.2022

„Um selbstständig zu werden, muss man beweglich sein“

Stifung ProFiliis und Spendobel ermöglichen digitalen Kommunikationsraum für CJD-Wohngruppen in Oespel

Es lohnt sich, von Zeit zu Zeit die eigenen Vorurteile zu überprüfen. Dass „die Jugend von heute“ mit Computern aufgewachsen ist, ständig am Handy hängt und darum „digital native“ genannt werden kann – das mag für viele junge Menschen zutreffen. Aber eben nicht für alle. Yousef ist so ein junger Mann, auf den das nicht zutrifft. Der 22-Jährige möchte gerne eine Ausbildung zum Verkäufer machen. Sein Lebensweg ist aus verschiedenen Gründen nicht gradlinig verlaufen – heute lebt er in einer Wohngruppe des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD), einer Jugendhilfeeinrichtung in Dortmund.

Dass er nun vor einem PC sitzt, einen optisch ansprechenden Lebensbrief gestaltet und an guten Formulierungen für seine Bewerbung feilt – das ist nicht so selbstverständlich, wie das Klischee glauben macht. Doch hier sitzt er, ein bisschen verlegen vielleicht wegen der vielen Leute, die ihm über die Schulter schauen – aber auch zuversichtlich, weil er seinem Berufswunsch ein gutes Stück nähergekommen ist. Einer mehr als großzügigen Spende in Höhe von insgesamt 12.000 Euro sei Dank.

Manchmal müssen die richtigen Personen zur richtigen Zeit zusammenstehen – dann ist Unterstützung ganz einfach. Christiane Wurst und Thomas Schieferstein sind zwei solche Menschen. Zwei, die gemeinsame Werte teilen, die sich verstehen und denen das Wohl von Kindern und Jugendlichen am Herzen liegt. Die eine, Präsidentin des Dortmunder Spendenparlaments Spendobel, der andere Stiftungsgründer und Vorstand von ProFiliis. Beide kennen und schätzen die Arbeit des CJD – und darum waren sie auch gleich aufmerksam, als ihnen die Idee eines „Digitalen Kommunikationsraums“ vorgestellt wurde.

In der Jugendhilfeeinrichtung im Stadtteil Oespel leben Jugendliche und junge Erwachsene in Wohngruppen zusammen, deren Leben durch ein Handycap begleitet wird. So gibt es etwa eine Wohngruppe für junge Männer mit Autismus; andere haben in ihren Familien nicht viel Unterstützung erfahren oder mussten schon früh zu viel Verantwortung für ihr Leben übernehmen. In den Wohngruppen werden sie unterstützt und gestärkt, arbeiten an sich selbst und haben verlässliche Menschen an der Seite, die sie auf dem Weg in die Erwachsenenwelt begleiten. Eine Ausbildung ist ein wichtiger Meilenstein hin zu einem erfüllten und erfüllenden Leben.

„Um selbstständig zu werden, muss man auch beweglich sein“, weiß Thomas Schieferstein. Und fügt aus seiner eigenen Berufspraxis in der IT-Branche hinterher: „Das gilt aber heute längst nicht mehr nur für Mobilität im Verkehr, sondern auch im Netz.“ Ein paar leistungsstarke Computer, große Monitore und einige Laptops standen schon lange auf dem Wunschzettel der Wohngruppenleitungen; doch zusammen mit dem dazugehörigen WLAN im gesamten Haus sowie einem reizarm gestalteten und funktional eingerichteten Raum für das Arbeiten war das für den Träger finanziell nicht zu stemmen.

Dann kam Corona – und den Fachleuten wie der Teamleiterin Tina Fitz war schnell klar, dass Technik eben auch Chancengleichheit bedeutet: “Vom Fernunterricht bis hin zum Chatten mit der Familie und Freunden in Zeiten der Kontaktbeschränkung - ohne Technik und Technikkenntnisse haben unsere Jugendlichen gravierende Nachteile.”

Sowohl die Stiftung Profiliis als auch Spendobel haben sich die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen zur Aufgabe gemacht; beide Organisationen werben Geld ein, das schnell und unkompliziert überzeugenden Projekten zur Verfügung gestellt werden kann. Beim “Digitalen Kommunikationsraum” mussten sie nicht lange überlegen - mit insgesamt 12.000 Euro ermöglichen sie die Anschaffungen – und freuen sich nun mit den etwa 40 Bewohnern, die von diesem Kommunikationsraum profitieren werden. So wie Yousef, der sich nun bewerben kann.

Foto: EKKDO
Thomas Schieferstein und Christiane Wurst überreichen nur symbolisch einen Scheck – der lang ersehnte Digitale Kommunikationsraum ist bereits eingerichtet. Björn Rosigkeit, Leiter der Fachbereiche Kinder-, Jugend- und Familienhilfe und Wohnen und Begleiten im CJD NRW Nord, freit sich mit Teilnehmer Yousef Altattari und Teamleiterin Tina Titz.
Foto: EKKDO