Von Nicole Schneidmüller-Gaiser
Eine warme Mahlzeit. Trockene Socken. Ein Handtuch und Unterwäsche zum Wechseln. Manchmal braucht es gar nicht viel, um einem Menschen etwas Würde zurückzugeben. Doch die Frauen, die den Weg in die Mitternachtsmission in Dortmund suchen, erleben nicht oft, dass man sie mit Respekt behandelt. Sie arbeiten in der Prostitution, manche freiwillig, viele gezwungen, und viel zu viele als Opfer von Menschenhandel. Es kommt vor, dass Frauen, die auf der Suche nach einem besseren Leben Menschenhändlern in die Fänge geraten waren, fliehen können – und dann stehen sie manchmal barfuß, ohne Ausweis und mit leeren Händen vor Andrea Hitzke und ihrem Team. Die Mitarbeiterinnen der Mitternachtsmission beraten, vermitteln – und helfen ganz praktisch. Doch auch die Helferinnen brauchen Hilfe – denn der Verein benötigt immer wieder Spenden, um das wichtige Angebot zu finanzieren. Gut, dass es solche Hilfe immer wieder gibt …
„Eigentlich wollte ich gar keinen Fototermin – liegt mir nicht so.“ Kira Kaufmann ist Ärztin. Die Allgemeinmedizinerin arbeitet in einer Geriatrie in Lütgendortmund; vermutlich kein Job, bei dem oft die Kameras gezückt werden. Doch als aktuelle Präsidentin des Inner Wheel Clubs Dortmund hat sie auf ihre Clubschwestern gehört, und sich auf diesen Termin in der Mitternachtsmission eingelassen: Insgesamt 9000 Euro verteilen die Frauen des Serviceclubs heute, davon bekommen die Gastgeberinnen stolze 3000 Euro.
„Tue Gutes und rede darüber, hilft uns und den geförderten Projekten“, erklärt Christiane Wurst vom Dortmunder Spendenparlament Spendobel, die den Kontakt zwischen Spenderinnen und Empfängern vermittelt hat. Hilfe im Verborgenen mag moralisch anständig sein – doch erst durch öffentlichkeitswirksame Auftritte erfahren viele Menschen von der Arbeit der Einrichtungen, die dringend Geld benötigen.
Kirche unterstützt Mitternachtsmission und Spendobel
Die evangelische Kirche unterstützt beide – das Spendenparlament wie die Mitternachtsmission, immer wieder mit Kirchensteuermitteln. Doch die reichen nicht aus, um etwa den wachsenden Bedarf an Beratung in der Mitternachtsmission komplett zu finanzieren. 19 feste Mitarbeiterinnen, 12 Honorarkräfte und zahlreiche Ehrenamtliche gehen Tag und Nacht auf die Straße oder sitzen in der Beratungsstelle, suchen das Gespräch, hören zu, und vermitteln an andere Einrichtungen. Allein bis zu fünf Neuaufnahmen pro Woche tauchen momentan in der Mitternachtsmission auf - das sind die wenigen Opfer von Menschenhandel, die fliehen konnten. Wie hoch die Zahl derer ist, die in Bordellen, Clubs oder Hinterzimmern weiterhin zur Prostitution gezwungen werden, mag man sich kaum vorstellen.
Frauen sind erfinderisch beim Geld sammeln
Als Referentin hatte Kira Kaufmann, die Leiterin der Mitternachtsmission zu einem der monatlichen Inner-Wheel-Treffen eingeladen. Die Clubschwestern hörten aufmerksam zu, ließen sich anrühren und spendeten reichlich. „Bei jedem unserer Treffen legen die Teilnehmerinnen Geld zusammen. Und auch sonst lassen wir uns so einiges einfallen, um einen möglichst großen Betrag spenden zu können“, erklärt Clubsekretärin Annette Nordhues. So organisieren die Frauen einen Second-Hand-Markt mit hochwertiger Markenkleidung, eine Dame kocht Marmelade und gibt sie gegen Spende ab, und die Frauen bauen bei jedem Treffen einen Büchertisch auf, von dem man sich – gegen einen kleinen Obolus – bedienen kann.
Förderung für weitere Projekte
Neben der Mitternachtsmission unterstützt der Inner Wheel Club nun auch die Musiktherapie in der Klinik für Kinder und Jugendliche durch den Kauf einer Klangliege (2500 Euro), das Projekt „Popkultur goes Handwerk“ (3000 Euro) sowie den Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Löwenzahn (500 Euro). Vorgeschlagen hat Spendobel diese Projekte – eine Serviceleistung, die auch andere Clubs und Spender*innen in Dortmund sehr schätzen: „Ich bin durchaus ein misstrauischer Mensch“, formuliert Kira Kaufmann vorsichtig angesichts der vielfältigen Anfragen, die ihr Serviceclub bekommt. „Doch bei Projekten, die über Spendobel kommen, weiß ich, sie sind geprüft.“
Die 3000 Euro für die Mitternachtsmission sollen speziell für Sprachmittler*innen eingesetzt werden, denn viele der Frauen stammen aus westafrikanischen Ländern, sprechen weder Deutsch noch Englisch oder Französisch, sondern eine der vielen Landessprachen. Auch junge Männer befinden sich zunehmend unter den Opfern aus Guinea, Gambia und Nigeria. Und auch aus den ärmeren Ländern Südosteuropas, etwa Albanien, machen sich immer wieder junge Frauen auf den Weg nach Europa, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen.
Auch praktische Spenden helfen sehr
Neben einem Scheck bringen die Inner-Wheel-Frauen auch mehrere Taschen voller praktischer Spenden mit – was Andrea Hitzke besonders freut. Die Mitternachtsmission gibt es schon seit mehr 100 Jahren in Dortmund – und sie hat sich immer als Teil eines Systems verstanden. Andrea Hitzke ist überzeugt: „Man kann das nicht allein schaffen. Schutz und Unterstützung für unsere Klient*innen können wir nur gemeinsam bieten.“ Darum ist die Dortmunder Einrichtung bundesweit vernetzt, arbeitet lokal mit anderen Anbietern zusammen – und freut sich über Besuche wie den heutigen. Spendobel-Präsidentin Christiane Wurst bringt es auf den Pinkt: „Das A und O sind Menschen, die aus den Projekten erzählen, die dahinterstehen – und Menschen, die zuhören, sich anrühren lassen – und das Gehörte und Erlebte weitererzählen.“