24.07.2023

„Vielleicht ist das ja die Kirche der Zukunft“

Ferienkirche im Sommergarten: Mobiles Konzept zieht durch die Gärten der Gemeinden

Von Nicole Schneidmüller-Gaiser

Es summt. Im Lavendel, auf der Sonnenbraut, und bei den Tomaten. Der Rasen ist frisch gemäht, es riecht nach Sommer, noch ein bisschen mehr, als es anfängt zu regnen. Ganz leicht nur, ein schöner Sprühregen. Die Gärtnerin Suse strahlt – der Garten braucht’s. Für den Gottesdienst hätte es mit dem Regen gerne noch ein wenig warten können – doch die etwa 20 Gottesdienstbesucher*innen stört das Tröpfeln nicht. Ferienkirche in der Elias-Gemeinde – ein Experiment im Sommer 2023: „Schau an der schönen Gärten Zier.“

Gottesdienst aus der Kiste

„Vielleicht ist das ja die Kirche der Zukunft“, überlegt Gemeindepfarrer Christian Höfener-Wolf. Zwei Kirchen und ein Gemeindezentrum hat Elias noch – doch in diesem Sommer lässt sich die Gemeinde sonntags einladen: in die Gärten von Gemeindegliedern, die dann auch gleich die Dekoration übernehmen und in der Regel auch einen Kaffee für das Beisammensein aufsetzen. „Es gibt eine Kiste mit der ,Hardware’“, erklärt Höfeners Kollegin Pfarrerin Kerstin Schiffner, die den heutigen Gottesdienst inhaltlich vorbereitet hat. Kreuz, Kerze und Kollektenglas befinden sich in dieser Kiste; außerdem ein kleiner, aber leistungsstarker Lautsprecher, denn musikalisch wird die Garten-Gemeinde auch ohne Orgel ansprechend unterstützt.

Alles andere ist so individuell wie die Gastgeber*innen: Ob sie eine geblümte Decke auf den Gartentisch legen, und ob die Blumenvase klassisch oder modern ist – die Schönheit liegt, wie in der Gartenkunst, im Auge des Betrachters. Die Vase füllt sich im Laufe des Gottesdienstes, denn alle Teilnehmer*innen sind eingeladen, eine Sitzmöglichkeit mitzubringen – und Blumen, die dann in einem gemeinsamen Gebetsritual zu einem bunten Strauß zusammengetragen werden.

Sieben Termine hat das Elias-Pfarrteam, zu dem auch noch Pfarrerin Stephanie Elkmann gehört, festgelegt. Florale Lieder und Bibelstellen, in denen Gärten eine Rolle spielen, ziehen sich wie ein roter – oder besser: wie ein bunter Faden durch die Sommer-Reihe. Dass es im Garten, in der Natur, nicht immer nur leicht und beschwingt zugeht, zeigt der heutige Bibeltext: Pfarrerin Schiffner greift die Geschichte von Susanna im Bade aus dem 13. Kapitel des Buches Daniel auf. Eine attraktive junge Braut wird von zwei alten Richtern begehrt, bedrängt, erpresst – im Schutz der Hecken wollen sie sich an ihr vergehen – wenn sie sich wehrt, soll sie verleumdet und getötet werden.

„Gärten sind nicht immer nur paradiesisch; Gewalt und Missbrauch gehören zum Leben – und wer glaubt schon einer jungen Frau, wenn zwei vermeintlich rechtschaffene Älteste eine Lüge über sie verbreiten“, nimmt Pfarrerin Schiffner die Gemeinde mit in ein ernstes, hoch aktuelles Thema. „Wir dürfen bei diesen Geschichten nicht schweigen. Dass wir den Mund auftun, wenn wir Unrecht sehen, ist unser Auftrag als Christ`*innen“, so die Botschaft der Predigt – und die Gemeinde nickt entschlossen.

Zwischen 20 und 50 Gemeindeglieder folgten jeweils der Einladung zur Ferienkirche. „In der Kirche sind wir manchmal weniger“, stellt die Pfarrerin fest. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dieses Format weiterentwickeln werden.“ Schöne Orte, eine einladende Atmosphäre und eine lebensnahe Predigt – so kann Kirche funktionieren. Nicht nur zur Sommerzeit.

Foto: niki
Zwischen 20 und 50 Menschen folgen jeweils der Einladung zur Ferienkirche. Ein Gottesdienst-Format, das in Elias bestimmt wiederholt wird!
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