Eine etwas andere Partnerschaftsreise von Dortmund nach Minsk
Der Partnerschaftskreis mit der Russisch-Orthodoxen Gemeinde „Aller betrübten Freude“ (Belarus) des Kirchenkreises hat im Sommer Minsk besucht. Es war, so eine Stellungnahme nach der Rückkehr, eine „besondere Reise“. Sie führte die Teilnehmenden zur Grundsteinlegung für die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Malyj Trostenez. Im Folgenden veröffentlichen wir einen Bericht desPartnerschaftskreises.
Bericht der Partnerschaftskreises
Dass Malyj Trostenez in der Nähe von Minsk in Weißrussland (Belarus) das viertgrößte Vernichtungslager der Nazis war wussten bisher nur recht wenige Menschen aus Minsk und Belarus und kaum jemand in Deutschland.
206.500 Menschen sind dort von 1941 bis 1944 umgebracht worden. Doch nichts erinnerte an den Ort des Grauens. Doch jetzt wurde dort mit großer, auch internationaler Beteiligung der Grundstein für eine Gedenkstätte gelegt. Denn außer belarussischen Bürgern, und Soldaten, Zwangsarbeitern aus der Sowjetunion, sowjetischen Kriegsgefangenen und Partisanen aus Belarus wurden dort auch Juden aus Österreich (13.500), Theresienstadt/Tschechien (6000), und den sechs deutschen Städten Hamburg (1500), Bremen (600), Berlin (202), Düsseldorf, Wuppertal und Essen (993), Köln (1158) und Frankfurt (1700) umgebracht. Dass ihre Namen, soweit sie zu ermitteln sind, nicht verloren gehen und der Schmerz eines jeden einzelnen nicht vergessen wird, ist das Ziel dieser Gedenkstätte.
Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) mit Sitz in Dortmund und seiner Tagungsstätte in Minsk sowie Menschen aus den beteiligten Städten haben es geschafft, so viel Geld aufzubringen, dass in Zusammenarbeit mit der Stadt Minsk und dem Staat Belarus jetzt ein Gedenkort geschaffen wird. Nach den Plänen des Minskprojektes wird in einer ersten Baureihe auf dem Gelände des Lagers eine Gedenkstätte errichtet. Dort hat Präsident Lukaschenko eine Kapsel niedergelegt und eine Rede gehalten.
Nach dem Entwurf des kürzlich verstorbenen Architekten und Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden Weißrusslands Leonid Lewin soll in einer zweiten, von den europäischen Partnern finanzierten Baureihe, ein Weg des Gedenkens, der „Weg des Todes“, zum Wald von Blagowschtschina geschaffen werden, wo die Erschießungen stattfanden. So wird eine gemeinsame, internationale Gedenkstätte geschaffen werden, um an alle Opfer zu erinnern und die Nachgeborenen zu mahnen.
Im Wald fand eine vom IBB organisierte Gedenkstunde statt. Es wurde in Deutsch und Hebräisch gebetet und die Teilnehmenden legten zum Zeichen der Trauer Nelken nieder. Im Hintergrund waren an vielen Bäumen gelbe Zettel mit den Namen von Ermordeten zu sehen, die eine Wiener Initiative dort vor angebracht hatte, um überhaupt irgendwie an die hierher deportierten österreichischen Juden zu erinnern.
Um an diesem Ereignis teilnehmen zu können, hatte der Minsk-Partnerschaftskreis des Kirchenkreises Dortmund (früher: Kirchenkreis Dortmund-West, jetzt Kirchenkreis Dortmund) seine anstehende Reise zum Besuch der Partner in der orthodoxen Gemeinde „Aller Betrübten Freude“ auf diesen Termin gelegt. Und so war der Mittelpunkt dieser Reise diesmal die Teilnahme an der Feierstunde zur Grundsteinlegung am Ort des Geschehens und dem anschließenden Festakt in der IBB Minsk mit vielen Gästen aus den beteiligten Städten und aus Minsk - darunter auch Überlebende und Veteranen - mit den Beiträgen aller Beteiligten.
Das Gedenken war ein zentrales Thema dieser Reise, denn wir besuchten auch die Chama (= Grube), die Gedenkstätte am Erschießungsplatz des Minsker Ghettos, mitten in der modernen Stadt. Wir besuchten auch die nationale Gedenkstätte Chatyn für die 186 von den Nazis mit ihren Bewohnern verbrannten und nicht wieder aufgebauten Dörfer. Insgesamt wurden 627 Dörfer vernichtet. Jeder vierte Belarusse ist ein Kriegsopfer.
Die Gedenkstätte Kurapati für die Opfer stalinistischer Repression, die wir auch sahen, hat kein großes Mahnmal, denn sie ist bis heute nicht staatlich anerkannt, sondern wird von der Oppositionspartei unterhalten. Diese Eindrücke und viele dazu gehörende Geschichten von einzelnen Überlebenden können nur darin bestärken, den Vorsatz „Nie wieder Krieg“ nie aus den Augen zu verlieren.
Beeindruckt hat uns auch die Bildungs- und Forschungsarbeit in der Geschichtswerkstatt Minsk, die Überlebende, Zeitzeugen mit Studenten und Lehrern zusammenbringt, Gedenkveranstaltungen, Foren, Weiterbildung in Seminarreihen und Ausstellungen veranstaltet und deren Ergebnisse publiziert. Auch soziale Projekte für Überlebende des Holocaust gehören dazu.