Von Carmen Möller-Sendler
Dieser Buchtitel wurde ein Bestseller: „Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden“ brachte viele zum Schmunzeln mit seiner ungewohnten Perspektive. Auch der Offene Ganztag ist eine Herausforderung für Erziehende, die im Grundschulalltag gleich von zwei Seiten gefordert sind. „Wenn Kinder und Eltern schwierig werden“ ist der Titel des dritten Dortmunder OGS-Fachtages, den das Evangelische Bildungswerk organisiert hat – und er traf den Nerv seiner Zielgruppe: Etwa 250 Mitarbeitende aus 34 Grundschulen im ganzen Stadtgebiet kamen am 13. Mai ins Reinoldinum und verbrachten gemeinsam einen anregenden Samstag, von dem sie viel für ihre tägliche Arbeit mitgenommen haben.
Manche Kinder sind aggressiv und herausfordernd, andere haben mit Ängsten, Stress und sozialen Herausforderungen zu kämpfen. Auch der Kontakt mit den Eltern ist nicht immer leicht. Das alles bringt die OGS-Mitarbeitenden, die doch jedes einzelne Kind sehen und fördern möchten, oft an ihre Grenzen. „Wir spüren jetzt nach der Pandemie, dass der Umgang mit Eltern und Kindern noch schwieriger geworden ist“, sagt Merle Schütte, OGS-Fachberaterin beim Kirchenkreis Dortmund. Sie kennt fast alle der Frauen und Männer im Saal persönlich und weiß, womit sie täglich konfrontiert sind. Dass so viele gekommen sind, um sich an diesem sonnigen Mai-Samstag mit ihrem Job zu beschäftigen, nimmt sie als Bestätigung für die Aktualität ihres Angebotes.
Friederike Niemeier leitet den Offenen Ganztag an der Grundschule Holte in Lütgendortmund. Für das neue Schuljahr sind hier über 400 Kinder angemeldet, 215 davon auch für einen OGS-Platz. „Ich habe im Team gefragt und alle haben gesagt, sie kommen mit“, erzählt sie. Zwei sind nun leider doch aus persönlichen Gründen verhindert, die übrigen 14 sind da. Auch ihnen gilt Merle Schüttes Lob: „Danke für euren Einsatz während der Pandemie! Und danke, dass ihr trotz aller Vorschriften und Umstrukturierungen jeden Tag das Beste für die Kinder rausgeholt habt!“ Schütte hat diesen Fachtag, der nach drei ausgefallenen endlich wieder stattfinden kann, gemeinsam mit Angela Wolf, Mitarbeiterin des Evangelischen Bildungswerkes und zuständig für berufliche Fortbildungen, organisiert und war für die Inhalte verantwortlich: „Heute geht es um Strategien, wie die Kommunikation noch besser werden kann, um Background-Wissen, weshalb Kinder und Eltern wie ticken – und wie man sie erreicht.“
Wer das besonders gut vermitteln kann, ist Raphael Kirsch – in der Szene kein Unbekannter und in seiner Heimatstadt Dortmund sowieso nicht: Der zweifache Familienvater ist staatlich anerkannter Erzieher, Krisen- und Konfliktpädagoge, Deeskalationstrainer und mit seinen Vorträgen und Seminaren in der ganzen Republik unterwegs. Seine Podcasts und Videotipps machen in Erzieherkreisen die Runde, seine humorvolle, zugewandte Ansprache kommt gut an. Und er weiß, wovon er spricht, wenn er etwa sagt, dass klare, eindeutige Ansagen besser funktionieren als umständliche Erklärungen, wenn das Kind etwas tun soll: „Weniger ist mehr. Ich sage freundlich, was ich will, sage danke und drehe mich weg. Damit zeige ich dem Kind, dass ich ihm vertraue.“ Das funktioniert. Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo er lange Jahre gearbeitet und erlebt hat, wie klare Ansagen ohne Diskussion oder Schuldzuweisungen auch chaotische Situation auflösen können.
Schwierig seien nicht die Kinder oder die Eltern, betont Kirsch, sondern ihre Verhaltensweisen. Und dass man Menschen trotzdem dazu bringen kann, etwas zu tun, das sie gar nicht tun wollen. Wie, das vermittelt er in einem unterhaltsamen Mix aus persönlichen Erlebnissen, lustigen Begebenheiten, einprägsamen Bildern und lebensnahen Praxistipps. Immer wieder bezieht er sein Publikum mit ein, ermuntert auch zur Selbstreflexion, zeigt neue Wege auf, schafft Zuversicht, Aha-Erlebnisse und Selbstvertrauen. Und am Ende freuen sich alle darauf, das neue Wissen in der Praxis anzuwenden. Gleich am Montag.