04.05.2020

Wert des Lebens und Wert der Arbeit

Autogottesdienst zum 1. Mai auf Phoenix West

„Wir wollen ausprobieren, ob Sie uns auch gut hören“, kündigte Superintendentin Heike Proske eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes an. Ich drehe mein Autoradio auf die Frequenz 106,0 – und höre tatsächlich perfekt.

Das Ganze war eine Premiere. Für mich und sicher für alle anderen auch: ein Autogottesdienst. Dazu hatten am 1. Mai der Evangelische Kirchenkreis und die Katholische Stadtkirche eingeladen. Gefeiert wurde der Gottesdienst vor der eindrucksvollen Kulisse des ehemaligen Hochofens auf dem Gelände von Phoenix West.

Ein Debüt war es nicht nur für die Zuhörenden und Zuschauenden - „auch für uns ist das etwas Ungewöhnliches“ bekannte der Stellvertretende Stadtdechant Michael Vogt beim Anblick der mehr als 200 Autos. Ein schönes Bild sei es, so viele hier zu sehen, aber „auch etwas schräg, vor Autos zu predigen“, so Vogt. Gewöhnungsbedürftig war zumindest für mich auch das Solo-Singen. Das „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ klang in dem Innenraum meines Autos wenig mächtig.

Der Gottesdienst am 1. Mai war gleichzeitig ein Gottesdienst zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit. „Wie passend ist es, hier vor Phoenix West zu sitzen“, meinte Superintendentin Proske. Es sei eine Erinnerung an harte Arbeit, die die Stadt und ihre Bevölkerung zum Reichtum verholfen habe. „Wir sind hier versammelt zum Thema Arbeit mit einem zuversichtlichen Blick in die Zukunft.“

Einen Bogen zur aktuellen Corona-Situation schlug Vogt. Jetzt, wo ein kleiner Virus die Welt lahmlege, stünden die Berufe des Gesundheitswesens, der Pflege und der Lebensmittelindustrie im Mittelpunkt. „Sie werden beklatscht, fragt sich nur wie lange.“ Corona würde uns zurückwerfen auf die Frage nach dem Wert und dem Sinn des Lebens. „Wir brauchen wieder den Blick auf das ganze Leben, einen Rundumblick auf das eigene Leben, die Schöpfung und den Blick auf Gott.“

Ein „Nach-Corona ist Vor-Corona“ dürfe es nicht geben, betonte Proske. „Es kann nicht mehr weitergehen wie immer, weil es kein Wie Immer mehr geben wird.“ Zusammenhalt und Rücksicht sei gefragt. Es gehe darum, den Wert des Lebens und den Wert der Arbeit neu in den Blick zu nehmen. Denn: „Wir wollen eine gute Welt für uns und für unsere Kinder.“

Am Ende des Gottesdienstes war klar, die Premiere war gelungen. In einem normalen Gottesdienst hätte man vielleicht geklatscht. Hier gab es ein (Licht)Hupkonzert als Danke. „Es ist doch einfach schön, auch wenn man im Auto sitzt, gemeinsam Gottesdienst zu feiern“, so Michael Vogt.
von Uwe Bitzel

Foto: Stephan Schütze
Superintendentin Heike Proske und der Stellvertretende Stadtdechant Michael Vogt beim Autogottesdienst.
Fotos: Stephan Schütze