07.07.2014 // Jörg Thadeusz in St. Reinoldi

Worte machen und damit auffallen

Über Medien und Obrigkeit predigte der Journalist Jörg Thadeusz in St. Reinoldi. Sein Konfirmationsspruch war Aufhänger der Predigt.

Jörg Thadeusz predigte zum Jahresthema

Über die Medien und die Obrigkeit predigte der Journalist Jörg Thadeusz in der Stadtkirche St. Reinoldi. Sein Konfirmationsspruch war Aufhänger der Predigt: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“ (Sprüche 31.8). Den suchte vor 32 Jahren für ihn der ehemalige Lütgendortmunder Pfarrer Ulrich Steier aus.

Der habe ihm klar machen wollen, „wozu eine große Klappe gut sein kann. Wenn man ohnehin schon eine hat“, vermutete Thadeusz. Dem Konfirmanden Jörg war das zu „schnöde“. „Ich wollte das ‚größer’ verstehen.“ Die Annahme damals war „er hat in mir einen großen Freiheitskämpfer erkannt“.

Immerhin habe er einen Beruf ausgesucht, wo man für „Tu deinen Mund auf“ bezahlt werde. „Worte machen und damit auffallen, darum geht es“, erklärte der Moderator. Bei einer Journalistenpreisverleihung könne er den Spruch ganz hersagen und den Eindruck erwecken, das wäre genau das, was Journalismus so wichtig und unverzichtbar mache, so der Grimme-Preis-Träger.

„Das stimmt mitunter auch.“ Als Beispiel nannte er die Reportage „Der Getriebene“ von Heike Faller. Sie hat über einen pädophilen Mann geschrieben, dessen Leben davon bestimmt ist, seine sexuelle Neigung zu unterdrücken. „Man kann kaum verlassener sein, als als Pädophiler, der Pädophilie abscheulich findet.“ Die Autorin habe diesem Mann eine Stimme gegeben. „Ohne seine abscheulichen Bedürfnisse zu relativieren.“

Journalisten prägen das Bild von öffentlichen Personen, weiß Thadeusz. „Auch wenn die Einzelnen im richtigen Leben ganz anders sind: Das von ihnen herbeigeschriebene und herbeigesendete Bild ist stärker.“ Noch ehe das Gerichtsurteil über Jörg Kachelmann gesprochen war, „hatten wir ganz viele andere Urteile fertig“. Oder Uli Hoeness. Der ist verurteilt. „Aber da war bei meinen Journalistenkollegen wohl noch recht viel Zorn übrig. Und noch mehr Häme. Ist er zu reich, zu unsympathisch, zu sehr Bayern München, um als Verlassener durchzugehen?“

Darauf habe auch er keine abschließende Antwort. Nur immer häufiger ein schlechtes Gewissen. „Weil ich sicher bin, dass wir als unsortierte, persönlich getriebene Medien-Obrigkeit fehlerhaft sind“, erklärte Thadeusz.

Infrage stellte er auch, ob Leser, Hörer und Zuschauer „gerne lesen, hören oder sehen, wie ein anderer fällt“. Dann sei die Rede von den Kleinen und den Großen. Vom Bedürfnis der Kleinen, die Großen straucheln zu sehen.

„Dabei glaube ich, dass wir einen Fehler machen, wenn wir Medienmenschen unsere Kunden für klein halten.“ So wie es falsch sei, die angeblich Großen noch größer zu machen. „Vor dem Gott, an den ich glaube, ist keiner kleiner als der andere“, ist Thadeusz sich sicher, „und damit ist jeder groß genug, um wahrzunehmen, wer wann ein Verlassener ist.“

Der Gottesdienst war der zweite der Predigtreihe zum diesjährigen Jahresthema der Evangelischen Kirche „Reformation, Kirche und Politik“. Die Seniorenkantorei an St. Reinoldi und Kantor Klaus Eldert Müller an der Orgel, Ursula Wagener mit der Lesung und Pfarrer Michael Küstermann gestalteten den Gottesdienst.

  • Jörg Thadeusz´ Predigt als pdf-Datei zum Herunterladen:
    predigt_thadeusz.pdf, Größe 40 KB
  • Mehr zum Jahresthema
Foto: Stephan Schütze
Der Journalist Jörg Thadeusz (l.) predigte Anfang Juli in der Stadtkirche St. Reinoldi im Gottesdienst zum Jahresthema „Reformation, Kirche und Politik“ über Medien und Obrigkeit.