„Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit für Belarus“ – unter dieser Überschrift stand der Gedenk- und Fürbittengottesdienst für bedrängte Christinnen und Christen in diesem Land. Am zweiten Sonntag in der Passionszeit, Reminiszere, fand er in der Bartholomäuskirche der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde auch unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine statt.
Dr. Yauheniya Danilovich, Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrates von Belarus, ließ in einem Bericht „Stimmen aus Belarus“ zu Wort kommen. Darin heißt es, dass die belarussische oppositionelle Gruppe „Christliche Vision“ die Kirchenleitung in Belarus und Russland auffordere, „ihre autoritative Stimme zur Verteidigung des Friedens zu erheben, die Aggression zu verurteilen, die Regierung von Russland und Belarus aufzufordern, alle Feindseligkeiten einzustellen und den bereits angerichteten Schaden (…) zu kompensieren.“ Der Vorsteher der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, Metropolit Onufrij, verurteile den Krieg in der Ukraine als „russischen Angriff und Aggression“ und bezeichne ihr als „brudermörderisch“.
Führende Vertreter der belarussischen orthodoxen Kirche, die zum Moskauer Patriarchat gehört, verglichen den Krieg mit einem „Familienkonflikt“ und verböten anderen Geistlichen in Belarus für die Ukraine zu beten. Doch es gebe auch Gegenstimmen. Priester, die sich bereits 2020 gegen Gewalt ausgesprochen hatten, verträten offen ihre „Antikriegsposition“. Zur Erinnerung: 2020 kam es nach dem offenbar gefälschten Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu Protesten. In der Folge kam es zu Massenverhaftungen. Die Demonstrationen wurden gewaltsam niedergeschlagen. Zahlreiche belarussische Priester unterzeichneten auch einen offenen Brief von Priestern der Russischen Orthodoxen Kirche mit dem Aufruf zur Versöhnung. Das Widerspruch nicht ungefährlich ist, zeigt das Beispiel eines Priesters aus Minsk. Der wurde zu 13 Tagen Administrativhaft verurteilt, nachdem er an einer Aktion gegen den Krieg in der Ukraine teilgenommen hatte.
Selbst in den Kirchen des Landes sind Gläubige und Kirchenvertreter nicht sicher vor dem Zugriff der Staatsmacht. Dennoch formiert sich der Widerstand orthodoxer Laien. So erschien auf der Webseite der Heilig-Geist-Kathedrale in Minsk ein Aufruf gegen den Krieg. Nach dem „Besuch“ der Kathedrale durch Sicherheitskräfte, war die Belarussische Orthodoxe Kirche gezwungen, sich von dieser Erklärung zu distanzieren. Frauen, die sich zum Gebet in der Heilig-Geist-Kathedrale trafen, wurden von der Polizei, die sich auf dem Gelände der Kathedrale aufhielt, gefilmt und ihre Papiere wurden kontrolliert. Nach dem Gebet wurden vier Frauen festgenommen, später aber wieder freigelassen.
Man solle nicht erwarten, dass die belarussischen (kirchlichen) Hierarchen ihre Stimme erheben. Denn jeder, dessen Äußerungen über den Diskurs des Moskauer Zentrums und die Politik des belarussischen Regimes hinausgehe, riskiere seine Absetzung oder andere Sanktionen. Es bleibe Laien und Priestern vorbehalten, sich von ihrem eigenen Gewissen leiten zu lassen und allen Drohungen zum Trotz die Stimme der Kirche zu sein. Mit diesen Worten schloss Dr. Yauheniya Danilovich ihren Bericht.
Pfarrer Jens Nieper, Christus-Kirchengemeinde, und Pfarrer i.R. Peter Ohligschläger vom Partnerschaftskreis Minsk im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund, hielten eine Dialogpredigt zu 2. Mose 7,14-16. „Moses fordert vom Pharao, sein Volk gehen zu lassen“, sagte Pfarrer i. R. Ohligschläger. In Belarus gebe es keinen Moses. Aber viele Menschen, die dort den Machthabern die Stirn böten und fordern: „Lasst mein Volk frei.“ Sie bezahlten ihren Protest mit Verfolgung und Haft. Pfarrer Jens Nieper erinnerte an die schwarzen Sklaven in den Vereinigten Staaten. Doch während Moses und sein Volk „die Nase voll haben“ und Ägypten verlassen wollen, wollen sie im Land bleiben und dort in Freiheit leben. „Auch die Menschen in Belarus wollen ihr Land nicht verlassen“, sagte Peter Ohligschläger. Sie liebten ihr Land. „Sie fordern Freiheit und Sicherheit im eigenen Land. Dafür protestieren die Menschen in Belarus.“
Internationales Jugendworkcamp Bünde-Belarus
Während des Gottesdienstes stellte Gemeindepädagogin Ulrike Jaeger, Evangelische Jugend Bünde-Ost im Evangelischen Kirchenkreis Herford, die Arbeit des Internationalen Jugendworkcamps Bünde-Belarus (IJWC) vor.
Das IJWC veranstaltet seit 1996 in den Sommerferien ein dreiwöchiges Jugendworkcamp im Norden von Belarus für 13- bis 17-jährige Jugendliche aus Deutschland und Belarus. Die Jugendlichen lernen Menschen kennen, die teilweise noch den 1. Weltkrieg, alle aber den 2. Weltkrieg überlebt haben. Sie führen Renovierungsarbeiten durch, tragen zur Völkerverständigung bei, begeben sich auf historische Spurensuche und setzen sich mit der deutschen NS-Vergangenheit auseinander.
Im Herbst kommen die belarussischen Jugendlichen zu einem Gegenbesuch nach Bünde/Westfalen. Das IJWC setzt sich für Völkerverständigung sowie Friedens- und Versöhnungsarbeit ein.