„Forschung trifft Realität“ – so könnte man den Abend überschreiben, zu dem das Christlich-Islamische Dialogforum Dortmund in dieser Woche eingeladen hatte. Seit mehr als 50 Jahren ist der Islam Teil der religiösen Landschaft in Deutschland – für Dr. David Rüschenschmidt, Historiker am Gymnasium Tecklenburg, Anlass genug, in seiner Dissertation „Zwischen Kirchturm und Minarett – der christlich-islamische Dialog seit 1973“ eine Bilanz zu ziehen. In Dortmund gründete sich 1966 der erste Moscheeverein. Hier hat das Miteinander der beiden Religionen eine gute und lange Tradition – weshalb die Initiatoren Ahmad Aweimar, Rat der muslimischen Gemeinden Dortmund, und Pfarrer Friedrich Stiller vom Evangelischen Kirchenkreis Dortmund die Gäste in der Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde gemeinsam begrüßten.
„Angesichts all des Schrecklichen, das in der Welt gerade jetzt passiert, wissen wir den Dialog noch mehr zu schätzen“, spricht Ahmad Aweimar vielen Gästen gleich zu Beginn aus der Seele. Und Friedrich Stiller ergänzt: „Der Hass darf nicht siegen.“ Dass es bei diesem Vortrag zwar um Geschichte geht, die aber keineswegs in der Vergangenheit endet, sondern in Gegenwart und Zukunft wirkt, das zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Allzu präsent sind die Ereignisse in Gaza, in Israel und im Iran.
Vom Tagesgeschehen ausgehend, wirft der Referenz einen informativen Blick zurück in die Geschichte, erinnert an einige wenige muslimische Gemeinden nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin und an den neuen Blick auf den Islam durch den Zuzug der damals so genannten Gastarbeiter in den 1960er-Jahren. „Nach dem Ende des Anwerbeabkommens war klar, dass die Menschen dauerhaft bleiben – die ersten Dialoginitiativen entstanden dort, wo es vertrauensvolle Beziehungen zwischen den Menschen gab – etwa in der Nachbarstadt Witten“, so Rüschenschmidt.
Während der Dialog für die Politik wohl vor allem als Mittel zur Integration angesehen wurde, ging es für die Initiatoren der Dialogforen immer auch um den theologischen und religiösen Austausch, um gemeinsames Leben und Handeln. Beides hat seine Berechtigung auch im Dortmunder Dialog: Das gemeinsame Feiern oder Fußballspielen ebenso wie der wechselseitige Besuch in den Gotteshäusern und der gemeinsame Einsatz – oft auch im Trialog mit der Jüdischen Gemeinde – für die Stadtgesellschaft.
Zu einer interessanten Beobachtung kam David Rüschenschmidt bei seiner Forschung: So wuchs nach dem Ende des Kalten Krieges das Misstrauen gegen „den Islam“. Vorurteile und Stereotype reichen bis nach Hollywood, so eine Besucherin der Veranstaltung: „Der Bösewicht im Film kommt jetzt oft nicht mehr aus der früheren UdSSR, sondern ist militanter Islamist.“ Der Brandanschlag von Solingen 1993 entwickelte seinen rechtsextremen Nährboden in einer mehrjährigen Serie von rassistischen und ausländerfeindlichen Übergriffen – die Menschen in Dortmund setzten dem ihren Wunsch nach Dialog und Begegnung entgegen. Bis heute spürt man die tiefe auch freundschaftliche Verbundenheit, das Vertrauen, das in den Jahren des gemeinsamen Wirkens gewachsen ist. Gemeinsam stellen sich Christ*innen und Muslime in Dortmund seither gegen Rechtspopulismus und Rechtsradikale, klären auf, beschwichtigen die Gemüter, als in Hörde oder Lindenhorst Moscheen gebaut wurden und rangen im vergangenen Oktober erfolgreich um eine gemeinsame Erklärung mit der jüdischen Gemeinde zur Situation in Gaza.
Dabei sind die Hauptakteute – im Publikum und vorn im Altarraum - erkennbar älter geworden. Doch ans Aufhören denken sie noch lange nicht. Denn es gehe immer weiter, so Ahmad Aweimer: „Es gibt noch so vieles, was wir machen können – und müssen.“