„Die Ehe ist ein weltlich Ding“, hat Martin Luther gesagt. Tief verankert ist das Verständnis vom institutionalisierten Zusammenleben aber in den Religionen. So stand im September das unterschiedliche Eheverständnis im Christentum und im Islam auf dem Programm des Dortmunder Islamseminars.
Es begann, wie jeder Abend des Islamseminars beginnt: mit der Lesung einer Sure aus dem Koran und einer Stelle aus der Bibel. Von Liebe und Barmherzigkeit zwischen Mann und Frau war in der Koranstelle zu hören, während die Bibellesung aus dem ersten Buch Mose von deren Erschaffung und Zusammengehörigkeit berichtete.
Die Ehe habe einen hohen Stellenwert in muslimisch geprägten Gesellschaften, erläuterte Naciye Kamcili-Yildiz, islamische Religionspädagogin an der Universität Paderborn. Sie führte in die Betrachtungsweise der Ehe aus muslimischer Perspektive ein. Mit dem Gelingen einer Ehe sei schon die Hälfte der Religion erfüllt, habe der Prophet Mohammed deren Bedeutung beschrieben.
Vier entscheidende Kriterien skizzierte Kamcili-Yildiz für das islamische Eheverständnis: Intimität und Sex erlaube der Islam nur in der Ehe. Ziel einer Ehe sei es auch, Kinder zu zeugen. Die Ehe sei als Institution für Erziehung und Gedeihen von Kindern vorgesehen. Darüber hinaus gehe die Ehe in islamischem Verständnis mit einem bürgerlich-rechtlichen Vertrag einher. Zu ihm gehöre die ‚Brautgabe‘, zu der sich die Braut eigenständig materielle wie immaterielle Güter wünschen könne.
Stimmen islamisches und katholisches Verständnis von Ehe in den ersten Kriterien überein, so beschrieb Pater Siegfried Modenbach, der die katholische Sichtweise vorstellte, im letzten Punkt einen grundsätzlichen Unterschied. Im katholischen Verständnis stellt die Ehe ein Sakrament dar und zwar eines, das die Ehepartner sich gegenseitig spenden, der Priester sei lediglich Assistent der Handlung, so Modenbach.
Der Dortmunder Theologe erläuterte fünf Säulen, die für die katholische Kirche als Voraussetzung für die Ehe gelten. Dies seien Freiheit – kein Partner dürfe in eine Ehe genötigt werden -, Treue – sie begründe auch die Ausschließlichkeit einer Beziehung -, die Weitergabe des Lebens, Verantwortung sowie die Zuwendung, die Gott in der Partnerschaft zeige.
Freiwilligkeit gilt auch im Islam grundsätzlich als Voraussetzung für eine Eheschließung. Dass sie – neben der religiösen Zeremonie – heute zumindest in westlichen Staaten und der Türkei auch einer standesamtlichen Heirat bedürfe, beschrieb Naciye Kamcili-Yildiz als wichtige Veränderung gegenüber tradierten Formen in arabischen Ländern. Sie diene primär dem Schutz der Frau. Anders als im katholischen Eheverständnis kenne der Islam zudem auch die Möglichkeit der Scheidung und der Wiederverheiratung.
Die gesteht die evangelische Kirche Paaren ebenfalls zu. Sie kennt mit der Taufe und dem Abendmahl nur zwei Sakramente. Anders als in der katholischen Schwesterkirche gehört die Ehe nicht dazu. Wesentlicher Unterschied im evangelischen Verständnis ist zudem die Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Auch die Synode der Evangelischen Kirche von Westfalen hatte die ‚Ehe für alle‘ nach langen Beratungen im vergangenen Jahr beschlossen.
Gleichgeschlechtliche Ehen kommen hingegen im Islam nicht in Betracht, ebenso wie in der katholischen Kirche. Immerhin, so Pater Siegfried Modenbach, werde derzeit im Zuge des Synodalen Weges die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare diskutiert.
Dass die evangelische Referentin, Pfarrerin Dr. Kerstin Schiffner ihre Teilnahme kurzfristig aus Krankheitsgründen absagen musste, bedauerten Moderator Rainer Schwarz und die übrigen Gäste in der Evinger Segenskirche sehr. Von ihr hatten sie sich einen protestantischen Kontrapunkt versprochen, der jetzt lediglich in Ansätzen der Diskussion hervortrat.
Eine ältere Teilnehmerin hob den Fortschritt kultureller Veränderungen in allen Religionen hervor, die insbesondere mit der Emanzipation von Frauen einhergehe: „Ich glaube nicht, dass Gott sagt: das ist aber ein Kuddelmuddel jetzt!“